Spektrum von Sergej Lukianenko gelesen von David Nathan
Sprecher: Nathan, David Autor: Lukianenko, Sergej Verlag: Audible GmbH Erscheinungsjahr: 2007 Länge: 22h 39min |
In nicht allzu ferner Zukunft sind Aliens auf der Erde gelandet, die sogenannten “Schließer”. Sie beglücken die Menschheit und alle anderen intelligenten Rassen mit einem Torsystem, das es erlaubt zwischen den Welten zu reisen. Als Gegenleistung müssen die Reisewilligen lediglich eine gute Geschichte erzählen.
Martin Dugin ist ein besonders begabter Geschichtenerzähler. Seine Geschichten werden von den Schließern fast immer akzeptiert und so macht er sein Talent zum Beruf und erledigt als Privatdetektiv Aufträge in fremden Welten. Sein neuer Job klingt zunächst simpel: für einen reichen Russen soll er dessen wissbegierige Tochter Irina suchen, die mit unbekanntem Ziel durch ein Tor ausgerissen ist. Martin findet sie auf dem Planeten Bibliothek, wo seltsame Monumente der Wissenschaft Rätsel aufgeben. Doch bevor er mit Irina zurückreisen kann, stirbt sie bei einem tragischen Unfall. Vor ihrem Tod kann sie Martin noch den Namen eines anderen Planeten übermitteln.
Um seinen Auftrag ordentlich abzuschließen und seine Neugier zu befriedigen folgt Martin ihrem Hinweis und reist weiter. Auf dem neuen Planeten trifft er erneut auf ein Mädchen namens Irina, das der eben Verstorbenen aufs Haar gleicht. Das eigentliche Abenteuer beginnt und es gibt große Fragen zu klären: Wer ist die zweite Irina? Ist Irina nun tot oder am Leben? Was steckt wirklich hinter den Toren und welche Absicht verfolgen die Schließer mit ihrem großzügigen Geschenk an die Galaxie?
Der russische Autor Sergej Lukianenko ist vor allem durch seine “Wächter”-Trilogie (“Wächter der Nacht”...) berühmt geworden. Ich habe bisher noch nichts von ihm gelesen oder gehört und stieß auf “Spektrum” nur, weil es von meinem Lieblingssprecher David Nathan gesprochen wird und auf Audible eine ziemlich gute Bewertung hat. Das Überraschungsexperiment war ein voller Erfolg. “Spektrum” ist ein sehr spannendes Science Fiction Abenteuer, das mit wenig technischen Spielereien auskommt, dafür viele philosophische Fragen aufwirft und zum Miträtseln und Nachdenken einlädt. Eine Geschichte, die ich gerade in der Hörbuchversion nur wärmsten empfehlen kann!
In der fiktiven Zukunft ist die Technik der Menschheit noch nicht allzu weit fortgeschritten. Tatsächlich mutet aus heutiger Sicht manches bereits etwas altmodisch an (das Buch ist im Original 2002 erschienen). Einige Außerirdische, allen voran natürlich die geheimnisvollen Schließer, sind den Menschen technisch deutlich überlegen, inspirieren aber auch durch ihr Vorbild. Es ist sehr spannend über Leben und Gesellschaft auf den anderen Planeten zu hören, die der Erde oft sehr ähnlich sind, teilweise jedoch völlig fremdartig. Es gibt sprechende Kängurus, intelligente Amöben und angeblich sogar Planeten, auf denen komplett andere Naturgesetze gelten und beispielsweise die Zahl Pi vier beträgt.
Neben all den spannenden Weltraumszenerien fand ich es auch interessant, einmal eine Geschichte abseits des gewohnten europäisch-amerikanischen Hintergrunds zu hören. Trotz des futuristisch-fantastischen Settings und der zusammengerückten irdischen Gesellschaft wird doch in vielen Details deutlich, dass Martin ungeachtet seines westlichen Namens anders sozialisiert wurde als die Science Fiction- und Urban Fantasy-Helden, die ich bisher kannte. Der Blick von außen auf USA und Europa und die Entwürfe des Autors über die zukünftige weltpolitische Rollenverteilung sind durchaus faszinierend.
Weltenbummler Martin kennt sich in der Galaxis bereits recht gut aus, doch konfrontiert mit dem Rätsel um Irina beginnt er das bisher Hingenommene immer stärker zu hinterfragen. Seine Überlegungen fließen auch in die Geschichten ein, die er den Schließern als Bezahlung für seine Reisen anbietet. Die Erzählungen werden alle vollständig im Buch wiedergegeben und bilden eine Art philosophischer Exkurse, die teilweise das soeben Erlebte verarbeiten oder weiterdenken, teilweise auch immer wieder aufeinander aufbauen. Es geht darum, was den Menschen zum Mensch macht, woher wir kommen, warum wir überhaupt hier sind und was das Universum zusammenhält. Existentielle Fragen, die hier vor dem Hintergrund eines “globalisierten” Weltraums mit verschiedenen intelligenten Rassen betrachtet werden, dabei jedoch auch in der realen Welt abseits der Fiktion relevant sind.
Neben den Tor-Geschichten gibt es auch immer wieder Exkurse über die hohe Kunst des Kochens, ein wichtiges Hobby im Leben des Privatdetektivs. Bei seinen Zwischenstopps auf der Erde bekocht er regelmäßig seinen Onkel oder wird von diesem eingeladen. Dabei philosophiert er dann über regionale Spezialiäten, die richtigen Beilagen oder die Vor- und Nachteile verschiedener Weine. Diese Auslassungen sind schmückendes Beiwerk, das den Protagonisten lebendiger werden lässt, die Geschichte jedoch nicht voranbringt. Sie bieten Raum zur Erholung von aufregenden Action-Szenen und komplizierten Denkmanövern. Abgesehen davon würde ich mir von Sprecher David Nathan durchaus auch komplette Kochbücher mit Zutatenlisten und allem drum und dran vorlesen lassen.
Der breiten Masse ist David Nathan bekannt als die “deutsche Stimme von Johnny Depp”. Hörbüch-Kenner schätzen ihn für seine Interpretationen diverser Thriller z.B. von Stephen King und als Mitwirkenden bei verschiedenen Hörspielprojekten. Mit angenehmer Stimme trägt er das Buch in sehr unaufgeregter Art vor und hat dabei ein feines Gespür für Spannungsaufbau und die richtige Betonung. Seine Lesung führt gekonnt über einige kleine Holprigkeiten in der Sprache hinweg, die vermutlich der schwierigen Übersetzung aus dem Russischen zuzuschreiben sind. “Spektrum” ist in meinen Augen durch die vielen Geschichten in der Geschichte eine Vorlage, die dem Medium des Hörbuchs sehr entgegen kommt. Man lauscht als Hörer quasi zusammen mit den Schließern den Erzählungen des Hauptcharakters.
“Spektrum” ist ein großartiges Hörbuch, dessen 23 Stunden für mich dank spannender Buchvorlage und grandioser Sprecherleistung wie im Flug vergangen sind. Das Science Fiction Abenteuer greift existentielle Fragen auf und überzeugt durch eine geschickte Verbindung von aufregender Handlung und philosophischen Rätseln. Sehr zu empfehlen!
Mein Fazit:
Ich freue mich immer über Fragen und Kommentare! (Spoiler bitte kennzeichnen)
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